INDUSTRIA BIOTEC: Neues Schaufenster der Biotechnologie

Berlin, 11.10.2022 – Die Industrielle Biotech-Branche Europas hat ein neues Forum: Am Freitag vergangener Woche präsentierten zahlreiche Experten in Berlin auf der INDUSTRIA BIOTEC neueste biotechnologische Lösungen vor allem vor dem Hintergrund der Klimakatastrophe. Eingeladen hatte die BIOCOM AG.

Wie die mikrobielle und enzymbasierte Fermenterlösungen die meist landwirtschaftlichen Bioökonomieansätze und die grüne Chemie bei der Dekarbonisierung der Industrieproduktion ergänzen, wurde in insgesamt fünf thematischen Panels diskutiert: Energie, Chemie, Abfallkreisläufe, Lebensmittel und Finanzierung.

Das Panel Energie beleuchtete Ansätze der synthetischen Biologie und neuartige Bioprozesse, die das Potential haben, den Sektor nachhaltig zu verändern. Die Experten diskutierten über die Fortschritte bei Biokraftstoffen der zweiten und dritten Generation, gasfermentierende Mikroben, die Methan produzieren, und Möglichkeiten für die Ausweitung der Biowasserstoffproduktion. Sie machten deutlich, dass es weniger an technischen Lösungen fehlt denn an finanziellen Mitteln für die Skalierung und am politischen Willen, auch in diesem Bereich auf „Bio“ zu setzen.

Im Chemie-Panel zeigte sich die Herausforderung, vor der dieser Industriebereich steht: Die chemische Industrie strebt eine fossilfreie Produktion an, aber die gängigsten Chemikalien und Materialien können nicht dekarbonisiert oder durch Alternativen ersetzt werden. Ein größeres Augenmerk muss daher auf nicht-fossile alternative Kohlenstoffquellen – wie Biomasse oder Kohlendioxid – gelegt werden, für die die Biotechnologie wichtige Beiträge liefert.

Den passenden Anschluss zur Diskussion über Industrietransformation lieferte die Expertenrunde zum Thema Abfall. In der Präsentation wurden Beispiele für nachhaltige Prozesslösungen auf Grundlage der Biotechnologie gezeigt und deutlich gemacht, dass das Wort „Abfall“ ausgedient hat. Es geht um Verwertung und damit um Wertschöpfung und echte Kreislaufwirtschaft gerade in dem Bereich, der gewöhnlich als Ende des Produktlebenszyklus angesehen wird. Die Visionen und praktischen Beispiele bei der Umwandlung bisheriger industrieller Prozesse bis hin zum „Nachbau“ der Photosynthese zur Gewinnung von neuem Biomaterial waren Höhepunkte der Veranstaltung.

In der Runde zu neuen Lebensmitteln ging es unter anderem um die Präzisionsfermentation aus dem Labor, die eine Fülle von bekannten Problemen der heutigen Landwirtschaft und Viehzucht überwinden und deren großen Anteil an den Treibhausgasen reduzieren könnte. Zudem wurde der große Landverbrauch oder Einsatz von Tierantibiotika angeprangert, der bei wachsender Weltbevölkerung eher noch zunehmen würde – bliebe man bei traditioneller Nahrungsmittelherstellung. Die Sprecher waren sich jedoch auch einig, dass nicht ein Weg oder eine Lösung alleine die komplexen Verflechtungen von Welternährung, Anstieg des Fleischverbrauchs, Trinkwasserverunreinigung durch Pestizide und Überdüngung, Kleinbauern vs. Großbetriebe, weltumspannenden Lieferketten und klimatischen regionalen Herausforderungen in die gewünschte Richtung auflösen könnte. So machte eine Expertin deutlich, dass in den sogenannten Entwicklungsländern häufig schon kleine Verbesserungen direkt auf dem Acker große Wirkungen zeigen können (als Beispiel wurde ein fahrbares Biogas-Mobil gezeigt, das Erntereste vor Ort in Energie umwandelt).

Für alle diskutierten Innovationen und Ideen ist eines unabdingbar: mehr Geld. Die Diskussionsrunde zu „Kapital – Finanzierung“ unter Leitung des größten in Kreislaufwirtschaft investierenden Fonds, ECBF, wollte sich jedoch nicht mit Klagen aufhalten, sondern einigte sich förmlich im Konsens auf die Meinung, dass durchaus auch jetzt gerade wegen all der Krisenherde ringsherum eine sehr gute Zeit sei für Investitionen in klimaschonende Technologien und neue visionäre Ansätze: „Die Chancen sind gigantisch – und kein Investor, der bei Verstand ist, sollte sich das entgehen lassen“.

Eine Finanzierung von 12 Millionen Euro im Rücken hat das französische Food-Tech-Unternehmen Standing Ovation. Schon am Vorabend gewann es den ersten Start-up-Pitch der Industria Biotec. Das 2020 gegründete und in Paris ansässige Food-Tech-Unternehmen will ein wichtiger Akteur auf dem 2,5 Milliarden Euro schweren Markt für veganen Käse werden. Standing Ovation hat ein Fermentationsverfahren zur Herstellung von tierfreiem Kasein entwickelt, dem mit 80 % am häufigsten vorkommenden Protein in Käse. CEO und Mitgründer Frédéric Pâques hat nun die Gelegenheit, sein Unternehmen im European Biotechnology Magazin im Detail vorzustellen.

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